Ein Erfahrungsbericht aus der Gesamtschule Petershagen

Deutschland in der Corona-Krise heißt seit Wochen, dass kein geregeltes öffentliches Leben mehr stattfinden kann, heißt aber auch, dass trotz eingeschränkter Möglichkeiten die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder, ihre beruflichen Verpflichtungen, hilfsbedürftige Verwandte und die Verantwortung der Schule, ihren Bildungsauftrag umzusetzen, bleiben.

Für die Schulen heißt das Zauberwort „Homeschooling“. Im eigentlichen Sinne bedeutet Homeschooling, dass Kinder zu Hause oder an anderen Orten außerhalb einer Schule von den Eltern oder von Privatlehrern unterrichtet werden. In Zeiten von Corona etwas, das nicht möglich ist. 

Unsere Gesamtschule Petershagen, wie alle anderen Schulen der FAWZ gGmbH, spricht daher eher von digitalem Lernen als von klassischem Homeschooling. Digital deshalb, weil der Träger unserer Schule, die FAWZ gGmbH, innerhalb kürzester Zeit eine Plattform zur Verfügung gestellt hat, auf die tagesaktuell Aufgaben geladen werden, die einem vorher abgestimmtem digitalen Stundenplan folgen. Die Schülerinnen und Schüler laden sich die Aufgaben jeden Morgen (oder am Vorabend) herunter und können zwischen 09:00 und 15:00 Uhr ihre Lehrer digital erreichen, wenn sie mit der Bearbeitung einer Aufgabe nicht weiterkommen. Viele Aufgabenlösungen sind in einem Portfolio zu sammeln, andere werden – ebenfalls digital – zur Korrektur an die Lehrerinnen und Lehrer gesandt. Soweit die Theorie.

Wie bei jedem neuen Projekt – insbesondere bei solchen, die von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden müssen – gibt es viele Stolpersteine. Der größte Stolperstein, den aber im Vorfeld kaum jemand bedacht hat, liegt eigentlich auf der Hand: Nicht nur Schülerinnen und Schüler sind im Homeschooling, auch Eltern sind im Homeoffice, d.h. die PC-Technik, die es in den Familien gibt, wird von den Eltern benötigt, um weiterhin, das täglich Brot verdienen zu können. Sieht man sich die Maslowsche Bedürfnispyramide an, wird auch ganz schnell klar, dass erst Grundbedürfnisse gesichert werden müssen, bevor man sich um Bildung kümmern kann. Natürlich haben die meisten Kinder und Jugendlichen ein Handy, aber fünf Stunden am Tag Aufgaben von einem Mini-Bildschirm abzulesen, ist kaum zumutbar. Hinzu kommt, dass in vielen Familien z.B. Scannertechnik nicht vorhanden ist, weil diese schlicht im normalen Leben nicht benötigt wird.

Ein weiterer Stolperstein sind Erwartungshaltungen. Lehrerinnen und Lehrer müssen abschätzen, wie viele Aufgaben für den vorgegebenen Zeitraum durch Schülerinnen und Schüler allein zu bewältigen sind. Das ist nicht eben einfach, weil Schülerinnen und Schüler auch im Klassenraum in ihren eigenen Tempi arbeiten und das natürlich zuhause nicht anders ist. Die Entscheidung lautet dann, einen etwas größeren Aufgabenpool zur Verfügung zu stellen mit der Aussage, dass die Schülerinnen und Schüler in der vorgegebenen Zeit soweit es ihnen möglich ist, arbeiten und am Ende einer Einheit der Lehrkraft mitteilen, wie weit sie kommen konnten. Für Jugendliche und Eltern ist das wiederum nicht so einfach, denn alle möchten mitteilen können, die Aufgaben vollständig geschafft zu haben, also kommt es zu „Überstunden“, die weder Schülerinnen und Schüler, noch Eltern, noch Lehrkräfte als wirklich angebracht empfinden …

Am Ende des Tages ist das Schlüsselwort „Kommunikation“. Jugendliche und Lehrkräfte, aber auch Eltern und Lehrkräfte müssen miteinander sprechen. Das ist in einer Zeit, in der jede Minute für die Organisation des täglichen Lebens gebraucht wird, mit Sicherheit nicht einfach, aber allein der kommunikative Austausch und die Wertschätzung aller Beteiligter kann dazu führen, dass auch „Schule im Jugendzimmer“ eine positive Wirkung hat.

Wir als Gesamtschule Petershagen können nach zweieinhalb Wochen digitalem Lernen oder „Schule im Jugendzimmer“ resümieren, dass unsere Schülerinnen und Schüler großartig gearbeitet haben. Es war für alle das erste Mal, dass sie, ohne dass ein Lehrer oder eine Lehrerin bildlich hinter ihnen stand, Aufgaben bearbeiten und Termine einhalten mussten. Viele unserer Schülerinnen und Schüler, so war unser Eindruck, haben sich sogar (noch) mehr ins Zeug gelegt als in der Schule.

Wir haben auch gesehen, dass die Eltern die neue Erfahrung des digitalen Lernens mit uns Lehrkräften getragen und dem neu entstandenen Lehrinstrument zu einer Form verholfen haben. Sie haben neben der Arbeit an kritischen Stellen in unserer Gesellschaft, dem Homeoffice, den täglichen Pflichten und Sorgen ihre Kinder in der „Schule im Jugendzimmer“ unterstützt. Dafür sagen wir als Kollegium der Gesamtschule Petershagen ganz herzlich: „Vielen Dank!”

Schließlich sei erwähnt, dass die Lehrkräfte unserer Gesamtschule Petershagen alles getan haben, um sich in kürzester Zeit mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren und über den Heimstundenplan eine gewisse Schulstruktur für unsere Schülerinnen  und Schüler aufrechtzuerhalten. Dass das auch in den Elternhäusern und damit bei unseren Schülerinnen und Schülern angekommen ist, zeigt stellvertretend eines von vielen Feedbacks, die wir erhalten haben: „[Wir sind] begeistert in welcher kurzer Zeit hier technisch umgestellt, ein Topkonzept für die Heimschule erarbeitet und umgesetzt wurde. Das geht nur mit einem super Kollegium samt Schulleitung und der vorbereiteten Technik. [Wir können] spüren,  wie viel Herzblut hier für unsere Kinder geflossen ist, um so ein Projekt von jetzt auf gleich zu realisieren. […]“                        

Doreén Ritter
Stellvertretende Schulleiterin

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